Liebe Leserinnen und Leser,
zum Ende des Jahres gehe ich in den Ruhestand. Meine
Verabschiedung ist für den 2. Advent (Sonntag, 5. Dezember)
geplant. Aber während ich diese Zeilen schreibe, Ende
Oktober, ist Vieles noch ungewiss: Wird der Gottesdienst in
der durch Wasser geschädigten Kirche am Markt stattfinden
können? Und, gleich wo, werden mehr als 25, 30 Menschen
wegen Corona durch die Kirchentür eintreten und mitfeiern
können?
Darum nutze ich diese Gelegenheit, um mich von Ihnen zu
verabschieden. Gerne habe ich in der Evangelischen Kirchengemeinde
Selm gearbeitet! Und zweierlei hat vor allem dazu beigetragen.
Zum Einen gab und gibt es viele, viele Menschen, die sich ehrenamtlich in der Gemeinde
engagieren. Bei Agape und in den Besuchsdiensten, bei der Tafelausgabe
und im Konfi-Team, bei Freizeiten und beim Gemeindebrief: die Menge und die Vielfalt
der Mit-Machenden habe ich als Geschenk und als Bereicherung erlebt. Zum
Anderen existiert eine nicht nur mit Worten behauptete, sondern tatsächlich gelebte
Gastfreundschaft: Türen, die weit offen stehen für die unterschiedlichsten Menschen
in den Gruppen, Kreisen, Gottesdiensten und Veranstaltungen. Und die Menschen
spüren, dass sie willkommen sind, dass sie ausatmen können und neu Luft holen.
Offene Türen: die habe auch ich fast immer vorgefunden, im übertragenen Sinn
bei den Menschen, mit denen ich als Pfarrer zu tun hatte und sie mit mir. Also bei
meinen Kolleg*innen und den Presbyter*innen; bei den anderen Mitarbeitenden der
Gemeinde, in den Kindergärten, bei der Diakonie; bei den katholischen Geschwistern
ebenso wie in den Altenheimen, in den Schulen, bei Vereinen und in städtischen
Einrichtungen. Überall habe ich Menschen angetroffen, die aufgeschlossen waren
für mich als Vertreter der evangelischen Kirche und für meine Pläne und Ideen. Und
die bereit waren, gemeinsam zu überlegen, was für das Wohl der Menschen in unserer
Gemeinde und unserer Stadt möglich und sinnvoll sei.
Offene Türen auch im wörtlichen Sinn: Türen der Trauerhäuser, hinter denen die Hinterbliebenen
mir, dem Pastor, manches vom Leben der/des Verstorbenen mitteilten,
mal unter Tränen, mal mit einem leisen Lächeln‚ Türen bei den Tauffamilien, die mir
von dem Glück und auch von dem auf-dem Kopf-gestellten Alltag nach der Geburt
ihres Kindes erzählten, Türen bei Brautleuten, die von ihrem Kennenlernen sprachen
und davon, wie sie sich ihre gemeinsame Zukunft vorstellen und wünschen.
Türen von Geburtstagskindern; von Kranken; von denen, die um ein Gespräch gebeten
haben. Viele Türen, die mir geöffnet wurden. Wofür ich dankbar bin.
In Ahaus, wohin meine Frau und ich ziehen, werden
sich mit der Zeit hoffentlich auch einige Türen für uns
öffnen. Und Sie? Sie werden durch die Tür der renovierten
Borker Kirche und des neu erstellten Anbaus
sehen und gehen können. Sie werden, das wünsche
ich mir, meine(n) Nachfolger*in genau so offen und
freundlich empfangen, wie ich das erfahren durfte.
Und über allem, was wir sonst noch erfahren können,
dürfen oder auch müssen, steht die Zusage Jesu
Christi:
„Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.“
(Johannes 6,37; Jahreslosung 2022).
Eine weit geöffnete Tür; dahinter warmes Licht, und
auf einem Tisch ein Laib Brot und ein Glas Wein: Zeichen
für das Leben in seiner Fülle.
Bleiben Sie behütet!
Ihr Pastor Lothar Sonntag