Votum
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Eingangsgebet
Jesus Christus, du befreist. Wo Enge ist, sei du die Weite. Wo Streit herrscht, sei du der Frieden. Wo die Liebe verlischt, sei du der Funke. Wo alles am Ende scheint, sei du die Auferstehung und das Leben. Amen.
Predigttext Numeri, 22, 21 – 32 in Auswahl
„Da stand Bileam am Morgen auf und sattelte seine Eselin. Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber, dass er hinzog. Und der Engel des Herrn trat in den Weg, um ihm zu widerstehen. Und die Eselin sah den Engel des Herrn auf dem Wege stehen mit einem bloßen Schwert in seiner Hand. Und die Eselin wich vom Weg ab und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie, um sie wieder auf den Weg zu bringen. Da trat der Engel des Herrn auf den Pfad zwischen den Weinbergen, wo auf beiden Seiten Mauern waren. Und als die Eselin den Engel des Herrn sah, drängte sie sich an die Mauer und klemmte Bileam den Fuß ein an der Mauer, und er schlug sie noch mehr. Da ging der Engel des Herrn weiter und trat an eine enge Stelle, wo kein Platz mehr war auszuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken. Und als die Eselin den Engel des Herrn sah, fiel sie auf die Knie unter Bileam. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stecken.
Da tat der Herr der Eselin den Mund auf, und sie sprach zu Bileam: Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast? Bileam sprach zur Eselin: Weil du Mutwillen mit mir treibst! Ach dass ich jetzt ein Schwert in der Hand hätte, ich wollte dich töten! Die Eselin sprach zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben? Er sprach: Nein. Da öffnete der Herr dem Bileam die Augen, dass er den Engel des Herrn auf dem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht. Und der Engel des Herrn sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen? Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen; denn der Weg vor mir führt ins Verderben.“
Glaubensbekenntnis
Predigt
Liebe Leserinnen und Leser!
Der Prophet, der Engel und die Eselin. Eine biblische Geschichte mit märchenhaften Zügen.
Tiere, die sprechen können, kommen sonst meistens nur in der Welt der Sagen vor. Die Bibel kennt das besondere Gespür der Tiere für Gefahren und für Dimensionen, die der Mensch nicht wahrnimmt. Ein Hund zittert aus Angst vor Gewitter, noch bevor der erste Donner grollt. In dieser biblischen Geschichte sieht eine alte Eselin mehr als der große Seher Bileam. Das hat Humor und Ironie.
Schauen wir uns die Figuren der Geschichte genauer an! Sie haben viel zu erzählen über uns und unseren Umgang mit Blockaden.
Bileam
Bileam gehört nicht zum Volk Israel. Er ist der Prophet der anderen. Der König, in dessen Land sich die Israeliten gerade niederlassen, will Bileams prophetische Dienste in Anspruch nehmen. Er will, dass Bileam die Israeliten verflucht. Sie sind ihm zu viele und zu mächtig. Er will sie schlagen und vertreiben. Mit Fluch geht das besser, so hofft der König und schickt seine Leute zu dem Propheten. Was ein König will, ist normalerweise Befehl. Noch dazu gibt der König seinen Gesandten jede Menge Lohn für Bileams Verfluchungs-Service mit.
Aber Bileam beweist eine erstaunliche Unabhängigkeit. Er lässt den König wissen: Ich muss erst Gott befragen. Und Gott sagt zu Bileam: Das Volk Israel ist nicht verflucht, sondern gesegnet. Zieh nicht mit den Leuten des Königs! Doch der König lässt nicht locker. Er erhöht sein Angebot und schickt noch mächtigere Fürsten seines Landes zu Bileam. Der bleibt standhaft und befragt erneut Gott. Gott antwortet: Gut, mach dich auf und zieh mit den Leuten des Königs! Aber tu nur, was ich dir sage!
Bileam sattelt also seine Eselin und bricht auf. Nun aber wird Gott darüber zornig. Warum, wird in der biblischen Geschichte nicht ganz klar. Bileam tut doch nur, was Gott ihm
geheißen hat. Vielleicht ist er untergründig doch zu sehr von seiner Mission besessen. Im Auftrag des Höchsten unterwegs zu den Mächtigen. Lassen Sie mich durch – ich bin Prophet! Bileam kennt kein Halten. Schon gar nicht kann er die Bockigkeit seiner Eselin gebrauchen. Die hat zu tun, was er will.
Man kann sich in eine Sache verrennen, selbst wenn es eine gute ist. Man ist von der Richtigkeit des eigenen Auftrags so überzeugt, dass man keinen Widerspruch duldet und Widerstände nicht wahrhaben will. Man setzt sich selbst und die eigene Meinung absolut. Die anderen haben zu parieren. Von dem Trip bringt einen niemand so leicht runter. Schon gar nicht die, die einem zu Diensten zu stehen haben. Für diesen Anteil in einem selbst kann Bileam stehen.
Der Engel des Herrn
Der Engel in dieser Geschichte ist kein Kuschelengel. Weder pausbäckiger Putto noch schutzengelig mit freundlichen Flügeln, unter denen man sich bergen möchte. Dieser hier hat sein Schwert gezogen. Mit dem ist nicht zu spaßen. Er will töten. Darüber lässt die Geschichte keinen Zweifel. Es gibt Blockaden und Grenzen, die zu überschreiten zerstörerisch wirkt. In der Liebe und in Freundschaften kann es ein Satz sein, der etwas in einem sterben lässt. Man spürt: Hier ist ein Endpunkt erreicht.
Bileam sieht den Engel nicht. So kann es in Beziehungen sein. Man merkt gar nicht, was man bei dem anderen anrichtet mit einem unbedachten Wort, mit einem fortgesetzten Verhalten, mit einer Nachlässigkeit, die einem selbst nicht bedeutsam erscheint, den anderen aber trifft. In der biblischen Geschichte macht der Engel des Herrn darüber hinaus klar: Hier geschieht nur, was Gott will. Gott ist der Regisseur hinter der Geschichte und ihren handelnden Personen. Wer hier versucht, auf eigenem Ticket zu fahren, dessen Reise ist ganz schnell beendet. Ein herrischer Regisseur? Vielleicht. Nur führt das Beharren auf „Ich, ich, ich“ ins Verhängnis. Davor bewahrt der göttliche Regisseur aus dem Hintergrund. Mit einem wundersamen Kunstgriff: Er tut der Eselin den Mund auf und lässt sie sprechen.
Die Eselin
Die Eselin ist keine Anfängerin. Sie kennt den Mann, für den sie arbeitet, und seine Launen. Er und sie sind sonst ein gutes Gespann. Beide wissen, was sie aneinander haben. Gerade deshalb sollte Bileam wissen, dass es etwas zu bedeuten hat, wenn seine vierhufige Gefährtin sich ihm widersetzt und vom Weg abweicht, ihn an die Mauer drückt und schließlich in die Knie geht. Sie macht das nicht aus „Mutwillen“, wie er argwöhnt. Er sollte sie besser kennen.
Die Eselin. Das können die sein, die uns schon viele Jahre begleiten, tragen und ertragen. Die unsere Eigenheiten kennen, die guten wie die nervigen. Es gibt eine solide Vertrauensbasis, und der könnten wir trauen. Wenn diese treuen Begleiterinnen und Begleiter unseres Lebens das Signal geben: „Stopp! Nicht weiter!“, dann ist es klug, das nicht blindwütig abzutun. Solange spürbar ist, dass sie es aus Sympathie und Treue zu uns sagen und nicht aus Eigennutz.
Ausweichmanöver
Die Eselin unternimmt drei Versuche, um das Unheil zu verhindern. Erst weicht sie vom Weg ab aufs freie Feld. Dann drängt sie sich samt ihrem Reiter an die Mauer. Sozusagen lieber Leitplanke touchieren als mit Karacho ins Verderben. Schließlich legt sie eine Vollbremsung hin und geht auf die Knie. So spielt es sich ab in manchen Beziehungen. Da steht ein Problem im Raum. Zwar unsichtbar, aber drohend. Beide Seiten in der Beziehung oder Freundschaft gehen es nicht an, sondern weichen aus. Plaudern über alles Mögliche, über andere, aber nicht über die eigene Freundschaft, die Liebe, die Ehe, die Schrammen und Kratzer erlitten hat.
Wird’s schmerzhafter wie bei Bileams eingeklemmtem Fuß, ist der oder die andere schuld, auf die man verbal oder sogar handfest einschlägt. Nur nicht man selbst. Bis nichts mehr geht und die Beziehung, die Freundschaft am Boden liegt.
Dann ist die Frage: Lässt man sie liegen? Oder gibt man ihr die Chance, wieder aufzustehen, und einander die Gelegenheit, weiterzugehen?
Reparaturdenken
Die Eselin, die uns trägt und erträgt, kann auch der eigene Körper sein. Von dem erwarten wir meist, dass er funktioniert, mitmacht, was wir ihm zumuten. Geht mal was „kaputt“, zwickt und zwackt es, fährt es ins Kreuz, kommt er eben in die Reparatur, so wie man ein Auto in die Werkstatt bringt. „Die Ärztinnen und Therapeuten sollen das mal richten!“ Und weiter geht’s auf derselben Strecke im selben Tempo wie vorher. Der erste Schuss vor dem Bug reicht nicht, auch nicht der zweite. Vielleicht beim dritten, wenn der eigene Körper in die Knie geht, dämmert die Erkenntnis des Bileam: Ich muss umkehren. Ich muss mein Leben ändern. Vielleicht nicht das ganze, aber an entscheidenden Stellen.
Der Tiefpunkt, der zum Neustart wird
Bei Bileam geht die Geschichte gut aus. Überraschend gut. Bileam muss nicht umkehren. Nachdem er sich, dem Engel und seiner Eselin eingestanden hat, dass er falsch lag, gibt der Engel den Weg frei. Bileam kann seine Mission fortsetzen. Vielleicht ging es um diese schmerzhafte Rückversicherung: Warum und für wen bist du hier mit aller Gewalt unterwegs? Bileam fällt zu Boden, als er den Engel endlich sieht. Der Tiefpunkt muss nicht das Aus bedeuten. Er wird zum Neustart. Bileam erkennt, wer treu an seiner Seite ist und ihn gerettet hat. In seinem Fall war das die Eselin. So wie man an Tiefpunkten besonders merkt: Wer ist für mich da ohne Wenn und Aber?
Sogar dann, wenn ich mich kratzbürstig zeige und die attackiere, die es gut mit mir meinen?
Bileam akzeptiert, dass er nicht mit dem Kopf durch die Wand kann – beziehungsweise am Schwert des Engels vorbei. Das ist der Moment in der Geschichte, in dem der Weg für ihn frei wird. Manche Blockaden braucht es, um den Spielraum zu entdecken. Amen
Fürbittengebet
Du Gott des Lebens, wir beten für die Menschen, die körperlich oder seelisch krank sind und sich wie abgeschnitten vom Leben fühlen.
Du Gott des Lebens, wir beten für die Menschen, die in Süchten und Verzweiflung gefangen sind.
Du Gott des Lebens, wir beten für die Menschen, die der Hass aggressiv und gewalttätig macht.
Du Gott des Lebens, wir beten für die Paare, deren Liebe wie verschüttet ist.
Du Gott des Lebens, wir beten für die Menschen, die der Streit entzweit, die füreinander wie gestorben sind.
Du Gott des Lebens, wir beten für die Menschen, denen der Krieg die Hoffnung auf Zukunft zerstört.
Du Gott des Lebens, wir beten für die Menschen, die heute geboren werden, und für die, die heute sterben. Leuchte ihnen auf ihrem Weg – durch die Geburt ins Leben, durch den Tod ins Leben.
Du Gott des Lebens, wir beten für deine Schöpfung, auf deren Kosten wir oft leben. Hilf uns, den Einklang mit unseren Mitgeschöpfen zu finden.
Vater unser
Segen
Gott segne dich und behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Amen
Liedvorschläge:
EG 600 Meine engen Grenzen
EG 295 Wohl denen, die da wandeln
EG 347 Ach bleib mit deiner Gnade